OPEN SPACE hat in diesem Fall nix mit neuen Bürokonzepten oder den unendlichen Weiten des Wel­traums zu tun. Es geht um ein Ver­anstal­tungs­for­mat, das kleine und auch sehr grosse Grup­pen in einen verblüf­fend tiefen und ener­getisieren­den Dia­log brin­gen kann. Har­ri­son Owen hat diese Meth­ode in den 80 er Jahren erfun­den und in die Welt getra­gen. Sie ist tat­säch­lich uni­versell und in vie­len Organ­i­sa­tio­nen, Net­zw­erken und Sit­u­a­tio­nen ein­set­zbar. Je kom­plexer die The­matik, je diverser die Teil­nehmer — um so mehr zeigt sich die Qual­ität des Ver­fahrens und die Kraft der grundle­gen­den Philoso­phie. Aus­pro­bieren und erleben geht jetzt auch in Han­nover.

Die Meth­ode ist ein­fach und leicht zu ler­nen. Har­ri­son Owen hat nach vie­len ernüchtern­den Mod­er­a­tions- und Train­ingser­fahrun­gen die Kaf­feep­ause zum Prinzip erhoben. Wer kennt es nicht, in nicht enden wol­len­den Meet­ings oder Vorträ­gen zu sitzen und spätestens nach 20 Minuten gedanklich und tat­säch­lich einen Ausweg zu suchen. Tagträu­men, Mails checken, ein Nick­erchen machen, mit dem Nach­bar tuscheln oder aus dem Raum ver­schwinden. In den Pausen erkennt man die Men­schen dann gar nicht wieder. Sie sind in inten­sive Gespräche ver­tieft, ste­hen in Grup­pen zusam­men, lachen, scherzen. Und das liegt nicht nur am Kaf­fee oder der frischen Luft.

OPEN SPACE weckt diese Energie, die in uns allen steckt, mit ganz ein­fachen Mit­teln:

  • ein „großes” Rah­men-Thema, das viele Men­schen inter­essiert
  • der (Stuhl-)Kreis, der eine beson­dere Atmo­sphäre kreiert
  • vier Prinzip­ien, die viel Druck nehmen und Ver­trauen schaf­fen
  • ein Gesetz, das nie­man­den bindet
  • ein Mod­er­a­tor, der nach 20 min. ver­schwindet
  • eine (Kaffee)buffet, das (fast) nie aufhört

So ein­fach kann es sein. Und für manchen auch so schwer. Denn die Tür ist nun weit offen für Intu­ition, Eigen­ver­ant­wor­tung und Selb­stor­gan­i­sa­tion. Was für eine Freude (oder welche Zumu­tung?), die The­men zu benen­nen, die einem selbst am Herzen liegen. Die man mit anderen disku­tieren, deren Mei­n­un­gen und Erfahrun­gen hören möchte. Die ganze Weisheit der Gruppe steht zur Ver­fü­gung. Ob es eine Frage, eine These, ein fast fer­tiges Konzept oder ein Kon­flikt ist, der schon lange schwelt. Alles hat Raum.

Diese The­men­pla­nung ist eine ganz beson­dere Phase im OPEN SPACE. Und manch’ einer kennt beim Betreten des Raumes das Thema noch gar nicht, das er sich — in der Mitte des Kreises ste­hend — plöt­zlich auf­schreiben, laut vor­lesen und an die Ses­sion-Wand kleben sieht. Dieser magis­chen Momente gibt es viele. Natür­lich hängt es auch davon ab, welche Vor­erfahrun­gen es in bes­timmten Grup­pen gibt. Manche brauchen länger, um Ver­trauen zu fassen und sich ein zu lassen. (Neue) Ver­anstal­ter und Mod­er­a­toren benöti­gen spätestens hier eine ganze Menge Ver­trauen und Geduld. “Loslassen” heisst das Zauber­wort. Aber keine Angst, es finden sich immer The­men, die die Wand füllen. Auch der Mark­t­platz, auf dem die Teil­nehmer selb­st­ständig The­men zusammen‑, Räume und Zeiten umle­gen, funk­tion­iert. Und die Prinzip­ien helfen auch hier, wun­der­bar entspannt zu bleiben und sich nicht in Fra­gen zu ver­lieren: Warum so viele / so wenig The­men? Warum ger­ade diese The­men und andere nicht? Warum dauert es so lange? Warum der und der nicht?

Alles was passiert, ist genau das, was passieren kann. Und in Ord­nung.

Das ist eine ganz andere Art auf Ereignisse zu blicken und mit Erwartun­gen um zu gehen. Näm­lich mit viel mehr Offen­heit, Neugierde, Wohlwollen und Ver­trauen. Und das schafft den frucht­baren Nährbo­den, auf dem sich Neues entwick­eln kann. Vielle­icht ganz anders als ich es mir gedacht habe. Aber: Ist es nicht genau das, was wir suchen, in Zeiten, in denen wir mit den Lösun­gen der Ver­gan­gen­heit noch viel weniger in die Zukunft gehen kön­nen?

Um darauf zu kom­men, brauche ich auch nicht eine bes­timmte Anzahl oder ganz bes­timmte Men­schen. Warum sollte der Zufall (wenn es ihn denn gibt), nicht auch eine ganz beson­dere Gruppe von Men­schen zusam­men stellen, die sich für mein Thema inter­essieren? Eine Gruppe, auf die ich selbst nie gekom­men wäre, geschweige denn, dass ich sie mir selbst zusam­men gestellt hätte. Das einzige, was zählt, wenn die Teil­nehmer ihre Grup­pen wählen, ist ihr Inter­esse und ihre Energie dafür.

Wer immer kommt, ist genau der richtige.

Und wenn für einen Teil­nehmer ger­ade das Buf­fet, das Sofa in der Lounge oder der son­nige Rasen als der richtige Ort erscheint (anstelle eines Grup­pen-The­mas), dann wird ihn nie­mand davon abhal­ten. Mit diesem Ver­trauen in die und diesem Respekt vor den Men­schen, bere­ich­ern sie die Grup­pen wieder, wenn sie tat­säch­lich etwas ler­nen oder beitra­gen kön­nen. Plöt­zlich tauchen sie mit einer zün­den­den Idee wieder in einer Gruppe auf und ziehen danach weiter.

Das “Gesetz der Mobil­ität” macht es möglich.

Es ist völ­lig in Ord­nung, sich als Teil­nehmer nicht fest in einer Gruppe zu ver­ankern, son­dern die Diskus­sio­nen in ver­schiede­nen Grup­pen als „Hum­meln“ und „Schmetter­linge“ zu bere­ich­ern, Ideen, Gedanken, Verknüp­fun­gen  zu trans­portieren oder ein­fach zu zuhören. Und auch Anfang und Ende der Grup­pen sind nicht in „Stein gemeißelt“. Vielle­icht sind am Anfang erst zwei da, die starten, weil es für sie schon passt. Oder eine Gruppe von zehn braucht erst ein­mal einen Kaf­fee, bevor es los­ge­hen kann. Auch wenn wir es uns häu­fig wün­schen, funk­tion­ieren Men­schen „nicht auf Knopf­druck“. Zumin­d­est nicht pro­duk­tiv.

Es beginnt, wenn es beginnt.

Dafür sind inten­sive Diskus­sio­nen auch nicht mit einem Klin­gel­ton been­det. Das wäre ein bißchen wie „den Stecker ziehen“ oder die Energien abwür­gen. Auch diesen Raum bietet OPEN SPACE.

Vor­bei ist vor­bei. Nicht vor­bei ist nicht vor­bei

Mit diesen ein­fachen Mit­teln kann man einen Abend gestal­ten, der 2–3 Stun­den dauert und dich hin­ter­her kaum schlafen lässt, ob der vielfälti­gen Impulse und Ideen mit denen du nach Hause gehst. Aber auch 2–3 Tage kön­nen für 500 — > 1000 Teil­nehmern zu einem inspiri­eren­den Erleb­nis wer­den.

Und wie ist das mit der Nach­haltigkeit ? 

Für viele ist eine Ver­anstal­tung schon beson­ders, weil sie es so sel­ten (zumin­d­est in ihrem beru­flichen Kon­text) erleben. Ver­ant­wortliche und Führungskräfte fra­gen aber zu Recht nach deren „Nach­haltigkeit“. Was passiert, wenn die neu gewonnenen Energien in der Tret­mühle des All­t­ags wieder unter die Räder ger­aten? Wie gehen wir um mit frisch geweck­ten Hoff­nun­gen nach einer weit­eren Inte­gra­tion dieser Philoso­phie des Ver­trauens in die Men­schen, der Selb­stor­gan­i­sa­tion, der Ergeb­nis-Offen­heit und des Miteinan­der-Ler­nens in die Kul­tur des Unternehmens / der Organ­i­sa­tion?

Die Energie des Anfangs durch einen OPEN SPACE ist wertvoller Katalysator für Verän­derung­sprozesse. Eine Ein­bindung in einen Gesamt­prozess, der Raum gibt, für eine weit­ere Bear­beitung der Ergeb­nisse, ist sin­nvoll. Und wenn das Unternehmen / die Organ­i­sa­tion noch nicht bereit ist, ihre Art der Zusam­me­nar­beit zu verän­dern, dann ist ein OPEN SPACE vielle­icht (noch) nicht der richtige Start.

Bevor man sich also auf dieses „Aben­teuer“ ein­lässt, gibt es Möglichkeiten es aus zu pro­bieren. In Han­nover z.B. im HAN­NOVER OPEN SPACE Meetup, das monatlich in wech­sel­nden Orten stat­tfindet. Ein Abend mit deinen The­men. Egal ob aus Poli­tik, Lit­er­atur, Wirtschaft, Gesellschaft, Geo­gra­phie … Ein biss­chen fast wie die lit­er­arischen Salons aus einer anderen Zeit — nur nicht ganz so nobel. Trotz vielfältiger neuer (virtueller) Kom­mu­nika­tion­s­möglichkeiten scheint es immer noch einen Bedarf nach per­sön­lichem Aus­tausch und Dia­log zu geben. Außer­halb der eige­nen „Fil­terblase“ und mit Men­schen, die neugierig sind auf andere Per­spek­tiven und sich davon bere­ich­ern lassen.

Vielle­icht sehen wir uns hier?

Wer das Thema noch ver­tiefen oder ähn­liche Ver­anstal­tun­gen aus­pro­bieren, eine Aus­bil­dung machen möchte oder ein­fach nur einen Mod­er­a­tor sucht, findet hier noch ein paar links:

LinkedIn Open Space Gruppe
www.barcamp-liste