Die Methode ist einfach und leicht zu lernen. Harrison Owen hat nach vielen ernüchternden Moderations- und Trainingserfahrungen die Kaffeepause zum Prinzip erhoben. Wer kennt es nicht, in nicht enden wollenden Meetings oder Vorträgen zu sitzen und spätestens nach 20 Minuten gedanklich und tatsächlich einen Ausweg zu suchen. Tagträumen, Mails checken, ein Nickerchen machen, mit dem Nachbar tuscheln oder aus dem Raum verschwinden. In den Pausen erkennt man die Menschen dann gar nicht wieder. Sie sind in intensive Gespräche vertieft, stehen in Gruppen zusammen, lachen, scherzen. Und das liegt nicht nur am Kaffee oder der frischen Luft.
OPEN SPACE weckt diese Energie, die in uns allen steckt, mit ganz einfachen Mitteln:
- ein „großes” Rahmen-Thema, das viele Menschen interessiert
- der (Stuhl-)Kreis, der eine besondere Atmosphäre kreiert
- vier Prinzipien, die viel Druck nehmen und Vertrauen schaffen
- ein Gesetz, das niemanden bindet
- ein Moderator, der nach 20 min. verschwindet
- eine (Kaffee)buffet, das (fast) nie aufhört
So einfach kann es sein. Und für manchen auch so schwer. Denn die Tür ist nun weit offen für Intuition, Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Was für eine Freude (oder welche Zumutung?), die Themen zu benennen, die einem selbst am Herzen liegen. Die man mit anderen diskutieren, deren Meinungen und Erfahrungen hören möchte. Die ganze Weisheit der Gruppe steht zur Verfügung. Ob es eine Frage, eine These, ein fast fertiges Konzept oder ein Konflikt ist, der schon lange schwelt. Alles hat Raum.
Diese Themenplanung ist eine ganz besondere Phase im OPEN SPACE. Und manch’ einer kennt beim Betreten des Raumes das Thema noch gar nicht, das er sich — in der Mitte des Kreises stehend — plötzlich aufschreiben, laut vorlesen und an die Session-Wand kleben sieht. Dieser magischen Momente gibt es viele. Natürlich hängt es auch davon ab, welche Vorerfahrungen es in bestimmten Gruppen gibt. Manche brauchen länger, um Vertrauen zu fassen und sich ein zu lassen. (Neue) Veranstalter und Moderatoren benötigen spätestens hier eine ganze Menge Vertrauen und Geduld. “Loslassen” heisst das Zauberwort. Aber keine Angst, es finden sich immer Themen, die die Wand füllen. Auch der Marktplatz, auf dem die Teilnehmer selbstständig Themen zusammen‑, Räume und Zeiten umlegen, funktioniert. Und die Prinzipien helfen auch hier, wunderbar entspannt zu bleiben und sich nicht in Fragen zu verlieren: Warum so viele / so wenig Themen? Warum gerade diese Themen und andere nicht? Warum dauert es so lange? Warum der und der nicht?
Alles was passiert, ist genau das, was passieren kann. Und in Ordnung.
Das ist eine ganz andere Art auf Ereignisse zu blicken und mit Erwartungen um zu gehen. Nämlich mit viel mehr Offenheit, Neugierde, Wohlwollen und Vertrauen. Und das schafft den fruchtbaren Nährboden, auf dem sich Neues entwickeln kann. Vielleicht ganz anders als ich es mir gedacht habe. Aber: Ist es nicht genau das, was wir suchen, in Zeiten, in denen wir mit den Lösungen der Vergangenheit noch viel weniger in die Zukunft gehen können?
Um darauf zu kommen, brauche ich auch nicht eine bestimmte Anzahl oder ganz bestimmte Menschen. Warum sollte der Zufall (wenn es ihn denn gibt), nicht auch eine ganz besondere Gruppe von Menschen zusammen stellen, die sich für mein Thema interessieren? Eine Gruppe, auf die ich selbst nie gekommen wäre, geschweige denn, dass ich sie mir selbst zusammen gestellt hätte. Das einzige, was zählt, wenn die Teilnehmer ihre Gruppen wählen, ist ihr Interesse und ihre Energie dafür.
Wer immer kommt, ist genau der richtige.
Und wenn für einen Teilnehmer gerade das Buffet, das Sofa in der Lounge oder der sonnige Rasen als der richtige Ort erscheint (anstelle eines Gruppen-Themas), dann wird ihn niemand davon abhalten. Mit diesem Vertrauen in die und diesem Respekt vor den Menschen, bereichern sie die Gruppen wieder, wenn sie tatsächlich etwas lernen oder beitragen können. Plötzlich tauchen sie mit einer zündenden Idee wieder in einer Gruppe auf und ziehen danach weiter.
Das “Gesetz der Mobilität” macht es möglich.
Es ist völlig in Ordnung, sich als Teilnehmer nicht fest in einer Gruppe zu verankern, sondern die Diskussionen in verschiedenen Gruppen als „Hummeln“ und „Schmetterlinge“ zu bereichern, Ideen, Gedanken, Verknüpfungen zu transportieren oder einfach zu zuhören. Und auch Anfang und Ende der Gruppen sind nicht in „Stein gemeißelt“. Vielleicht sind am Anfang erst zwei da, die starten, weil es für sie schon passt. Oder eine Gruppe von zehn braucht erst einmal einen Kaffee, bevor es losgehen kann. Auch wenn wir es uns häufig wünschen, funktionieren Menschen „nicht auf Knopfdruck“. Zumindest nicht produktiv.
Es beginnt, wenn es beginnt.
Dafür sind intensive Diskussionen auch nicht mit einem Klingelton beendet. Das wäre ein bißchen wie „den Stecker ziehen“ oder die Energien abwürgen. Auch diesen Raum bietet OPEN SPACE.
Vorbei ist vorbei. Nicht vorbei ist nicht vorbei.
Mit diesen einfachen Mitteln kann man einen Abend gestalten, der 2–3 Stunden dauert und dich hinterher kaum schlafen lässt, ob der vielfältigen Impulse und Ideen mit denen du nach Hause gehst. Aber auch 2–3 Tage können für 500 — > 1000 Teilnehmern zu einem inspirierenden Erlebnis werden.
Und wie ist das mit der Nachhaltigkeit ?
Für viele ist eine Veranstaltung schon besonders, weil sie es so selten (zumindest in ihrem beruflichen Kontext) erleben. Verantwortliche und Führungskräfte fragen aber zu Recht nach deren „Nachhaltigkeit“. Was passiert, wenn die neu gewonnenen Energien in der Tretmühle des Alltags wieder unter die Räder geraten? Wie gehen wir um mit frisch geweckten Hoffnungen nach einer weiteren Integration dieser Philosophie des Vertrauens in die Menschen, der Selbstorganisation, der Ergebnis-Offenheit und des Miteinander-Lernens in die Kultur des Unternehmens / der Organisation?
Die Energie des Anfangs durch einen OPEN SPACE ist wertvoller Katalysator für Veränderungsprozesse. Eine Einbindung in einen Gesamtprozess, der Raum gibt, für eine weitere Bearbeitung der Ergebnisse, ist sinnvoll. Und wenn das Unternehmen / die Organisation noch nicht bereit ist, ihre Art der Zusammenarbeit zu verändern, dann ist ein OPEN SPACE vielleicht (noch) nicht der richtige Start.
Bevor man sich also auf dieses „Abenteuer“ einlässt, gibt es Möglichkeiten es aus zu probieren. In Hannover z.B. im HANNOVER OPEN SPACE Meetup, das monatlich in wechselnden Orten stattfindet. Ein Abend mit deinen Themen. Egal ob aus Politik, Literatur, Wirtschaft, Gesellschaft, Geographie … Ein bisschen fast wie die literarischen Salons aus einer anderen Zeit — nur nicht ganz so nobel. Trotz vielfältiger neuer (virtueller) Kommunikationsmöglichkeiten scheint es immer noch einen Bedarf nach persönlichem Austausch und Dialog zu geben. Außerhalb der eigenen „Filterblase“ und mit Menschen, die neugierig sind auf andere Perspektiven und sich davon bereichern lassen.
Vielleicht sehen wir uns hier?
Wer das Thema noch vertiefen oder ähnliche Veranstaltungen ausprobieren, eine Ausbildung machen möchte oder einfach nur einen Moderator sucht, findet hier noch ein paar links:
LinkedIn Open Space Gruppe
www.barcamp-liste
Open Space ist eine Methode für “tiefen und energetisierenden Dialog” und wenn erwünscht und gut in den Gesamtprozess eingebunden, eine Veranstaltungsform, die nachhaltig verbesserte Zusammenarbeit und team übergreifende Projektkooperationen ermöglicht. Toll, dass es jetzt einen Meetup dazu in Hanover gibt. Viel Freude dabei!
Danke! Du bist immer herzlich willkommen !