Kein Lernen ohne Emotionen
In den Folgetagen sollten deutlich kniffligere Situationen auf uns zukommen. Von heftigstem Wind von vorn, über sich aus der Verankerung lösendem Mastbaum bis zu “Mann-über-Bord” war alles dabei. Die Gefühle fuhren Achterbahn: Eben noch die Euphorie, die aufkommt, wenn das Boot bei “Am Wind-Kurs” über die Wellen jagd, gefolgt von Unsicherheit, Machtlosigkeit bis hin zu leichter Panik, als der eigene Mann sich von außen an die Bordwand klammerte. Diese Momente werde ich nicht vergessen!
Learning by Doing
Am Ende jeden Tages waren wir stolz, auf die bestandenen Herausforderungen. Auch wenn wir zwischendurch so richtig auf alles und jeden geflucht haben. Trotz aller Theorie und Zertifikate – wir haben erst in dieser Woche so richtig segeln gelernt – und stehen immer noch am Anfang.
“Fehler machen dürfen” als Erfolgsfaktor
So lernten wir aus Erfahrung, wie sinnvoll es ist, die vielfältigen Leinen immer wieder ordentlich zu verstauen oder die Segel besser zu trimmen. Über die Länge von Kreuzschlägen, die richtigen Knoten oder die erstaunliche Fähigkeit zur Schräglage von Folkebooten. Wie man mit einer Außenleiter wieder ins Boot klettert. Und nicht zuletzt wie man sich an Kompass, Echolot, GPS und Seekarte tatsächlich orientieren kann und wie wichtig eine gute Vorbereitung darauf ist.
Die Bedeutung des Teams
Jeder hatte zu dem eigene (Lern-)ziele: Wir wollten uns auf dem Meer zum ersten Mal erproben, Jürgen (mit 30 jähriger Yacht-Erfahrung) wollte die Strecke als Einhandsegler bewältigen. Thiemo und Katharina brauchten Meilen für ihren Skipperschein. Und Nickolas frönte seiner Passion und wollte alle seine Boote zum Startpunkt für die nächste Gruppe bringen.
Nur gemeinsam konnten wir alle unsere Ziele erreichen. Wir unterstützen uns beim ab- und anlegen und besprachen jeden Abend das Ziel und den besten Weg für die nächste Etappe. Oder schauten uns unterwegs die Segelstellungen und Manöver der Profis ab (sofern sie in Sichtweite waren). Nicht zu unterschätzen war die moralische Unterstützung, die wir uns gegenseitig gaben. Jeder hatte mal einen schlechteren Tag und manch einer war nahe daran alles hin zu schmeißen. Und doch ging es jeden Morgen mit neuen Tipps, gegenseitigem Zuspruch und viel Vertrauen wieder gemeinsam weiter. Voller Stolz erreichten wir so Ristinge, Nyborg, Korshavn, Endelave und letztendlich Aarhus. Dort feierten wir unseren Erfolg in einer kleinen Pizzeria und sanken ein letztes Mal todmüde auf unsere einfachen Folkebootbetten.
Ausdauer bis zur Meisterschaft
Auch wenn wir uns nur in der dänischen Südsee getummelt haben, waren wir mental ganz weit weg. Auf dem Wasser ist man immer im “hier und jetzt”. Beschäftigt mit dem Wind, den Wellen, dem Boot, der Strecke und was es als nächstes zu tun gibt. Vielleicht wird das weniger, wenn man sich besser auskennt – aber dazu braucht es noch ziemlich viele Seemeilen und bestandene Abenteuer. Mal sehen, wohin uns der nächste Törn führt.
Tipps zum Folkeboot-Segeln und Lernen
- Nicholas Thon: Folkeboot Paula / Wer ankern will, sollte den Grund kennen
- Flottillen-Törns: www.folkeboote-charter.de
- Lernen im Team: www.workingoutloud.com
- Learning by doing: www.modernworkplacelearning.com
- Gerald Hüther: Wie lernen am Besten gelingt
- MOOC: learning how to learn
… oder ihr stöbert mal in meinen Angeboten – es geht immer ums Lernen: ob individuell, im Team oder in Organisationen.
Vielen Dank Martina, für diese spannende und eindrucksvolle Schilderung Deiner Reiseerfahrung und zum Lernen über Emotionen! Für mich hast Du damit eine wunderbare Metapher für viele berufliche und private Herausforderungen (auch in meinem Leben) geschaffen.
Ich sehe immer wieder die Aufgabe, im Hier und Jetzt zu bleiben und auch Entscheidungen spontan treffen zu müssen oder zu wollen und dabei der Intuition zu vertrauen. Dazu passt auch sehr schön das Rahmenthema aus unserem letzten OPEN SPACE Hannover meetup: “Orientierung in stürmischen Zeiten – was gibt uns Halt in Zeiten der Veränderung?”
Genau! Manchmal kann Halt auch bedeuten, alle Leinen los zu lassen … Beim Segeln kann man sooo viel lernen;-)
Liebe Martina, eine wunderbar lebendige Schilderung, da habe ich großen Respekt, dass Ihr diese Tour gemeistert habt und Euch getraut habt! Und: dass es mal gut tut, den Mann nicht immer neben sich zu haben ist eine Sache, ihn außen an der Bordwand zu sehen eine ganz andere!
Zu deinen vielen Talenten kommt auch das Schreiben hinzu! Herzlichst Regina
Danke, liebe Regina;-)